Am 2. Juli 2024 wurde für Margot Fürst der Stolperstein verlegt. Er fand seinen Platz neben denen von Max Fürst und Hans Litten. So kommen die Freunde und politischen Weggefährten an ihrem letzten gemeinsamen Wohnort wieder zusammen …
Wir freuen uns, dass der Stolperstein von Margot Fürst nun zu denen von Max Fürst und Hans Litten dazu gekommen ist. So haben die Freunde und Weggefährten an diesem Ort wieder zusammengefunden.
Allein an der großen Zahl der heute Anwesenden können wir sehen, wie viele Menschen Margot Fürst noch heute miteinander verbindet, aus aller Welt, aus verschiedenen Teilen Deutschlands, aus verschiedenen Institutionen Berlins. Einige davon sind durch die Planungen der Stolpersteinverlegung so auch erst miteinander in Berührung gekommen: der Freundeskreis von Margot Fürst, die Hans Litten Schule, die Bundesrechtsanwaltskammer, das Kiezbüro aus dem kleinen Wedding in Charlottenburg, die Landeszentrale politische Bildung Berlin, das Haus Kreisau Berlin und nicht zu vergessen die Historikerin Stefanie Schüler-Springorum, ohne deren Aufsätze und Auswertung der Quellen wir keinen Zugang zu dieser Erinnerung gefunden hätten.
Es lohnt sich zu erzählen, wie es zur Stolpersteinverlegung gekommen ist. Denn dabei wird beschrieben, was produktive Erinnerung vermag. Einen Weg nachzuzeichnen, der die Verknüpfungen von individuellem Erinnern zu kollektivem Gedächtnis dokumentiert. Das ist hier passiert und wird hoffentlich weiter geschehen.
2015 hat das Oberstufenzentrum für Recht und Wirtschaft Berlin den Namen Hans Litten Schule angenommen. Der Name ist ein Anspruch, denn er impliziert das Bekenntnis zu Zivilcourage, den Auftrag zu politischer Bildung und die Bereitschaft ein anspruchsvolles geistiges Erbe zu pflegen. Die Hans Litten Schule pflegt das Erbe, das ihr mit dem Namensgeber aufgegeben ist, nicht einfach nur um es zu bewahren, sondern wie einen Samen, der ausgesät wird, um neue Früchte zu tragen: Zivilcourage, Lebensmut und Selbstwirksamkeit.
Seit Jahren werden die Hans Litten Tage mit einer bewundernswerten Programmvielfalt organisiert. Theatergruppen haben Szenen aus dem Leben Littens aufgeführt. Viele Fachbereiche haben das Thema Litten in ihre Curricula aufgenommen. Auf Stadtexkursionen, geführt durch vom Haus Kreisau entwickelte Action Bounds, werden die Spuren der Lebens- und Wirkungsorte von Hans Litten, der jüdischen Jugendgruppe Schwarzer Haufen und Margot Fürst in Berlin gesucht.
Auf der Spurensuche gingen an vielen Stellen Türen auf zu Menschen oder Institutionen, denen die Motive von Margot, Hans und Max wichtig sind. Patricia Litten hat das Patenamt angenommen und Theaterworkshops an der Schule geleitet. Im Kiezbüro trafen wir auf Harald Marpe, einen ausgewiesenen Kenner der Widerstandsgeschichte in Charlottenburg. Durch ihn haben wir Kontakt zu Cornelia Greve und Anna Pfäfflin aus dem Freundeskreis von Margot Fürst bekommen. In der Bundesrechtsanwaltskammer wurden immer wieder Schüler*innen empfangen, um sich über die den Einsatz internationaler Rechtsanwaltsorganisationen für die Menschenrechte auf aller Welt zu informieren. Auch die Direktorin der Bundesrechtsanwaltskammer, Frau Trierweiler, hat das Patenamt zur Schule angenommen.
Wer Hans Litten sucht kommt an den Weggefährten und Freunden von Hans Litten nicht vorbei: Max Fürst und Margot Fürst. Auf einer Erkundung kamen wir im Frühjahr 2021 in die Zolastraße 1, dem letzten Wohnort von Hans, Max und Margot. Wir sahen die Stolpersteine von Hans und Max sowie von Fritz Sternberg. Der von Margot fehlte. Sofort war klar, das konnte so nicht bleiben.
Das Leben von Margot Fürst scheint durch die Biographien und Zeugnisse anderer hindurch. Für die großen Männer Hans Litten, Hap Grießhaber, Max Fürst gibt es viele und gut zugängliche Quellen. Sie aber steht im Schatten, zumindest für die Nachgeborenen, die auf schriftliche Quellen angewiesen sind. Denn im Hintergrund stand sie im wirklichen Leben wohl nie. Das war schon bei Max und Hans so. In deren Freundschaft sie bald zum Mittelpunkt wurde. Und so rückte sie auch bei unseren erinnerungspädagogischen Projekten in den Mittelpunkt des Interesses. Die Stichworte in der Wortwolke auf der Einladungskarte machen neugierig. Sie wirken wie Fluchtpunkte, in denen sich Vergangenheit und Gegenwart kreuzen, Flucht, Vertreibung, Exil, soziale Beratung für Jugendliche, Widerstand gegen die aufkommende Diktatur.
Geschichten werden erinnert, – Geschichten werden gehört, um sich selbst im Fremden wieder zu finden. Das kann auch bedeuten, umgekehrt aus dem Abstand der Geschichte auf das eigenen Leben neu zurückzuschauen. Und so erzeugt die Beschäftigung mit dem Leben von Margot Fürst bei den Jugendlichen und Auszubildenden der Hans Litten Schule ganz eigene Resonanzräume. Am 12.7. werden sie im Kino Babylon, dort hinter der Volksbühne, hör- und sichtbar gemacht.
Es sind Schüler:innen mit biographischen Wurzeln in aller Welt. Viele von ihnen haben selbst die Erfahrung von Diktatur, Flucht und Exil gemacht. Für die aus Afghanistan und Syrien geflohenen Frauen entsteht in der Auseinandersetzung mit Margot Fürsts Biographie eine neue eigene Geschichte.
Hannah Ahrendt eine Freundin von Margot, Max und Hans schreibt in ihrer Vorlesung über Fragen der Ethik:
„Denken und Erinnern … sind die menschliche Art und Weise, Wurzeln zu schlagen, den eigenen Platz in der Welt, in der wir alle als Fremde ankommen, einzunehmen.“ (Arendt, Hannah : Einige Fragen der Ethik. In: Über das Böse, München 2009, S. 85)
Wolfram v. Heidenfeld – Haus Kreisau Berlin
Publikumsreaktionen zum Festakt im Babylon Berlin zur Stolpersteinverlegung für Margot Fürst
„DANKE, dass ich beim Festakt zur Stolpersteinverlegung für Margot Fürst dabei sein durfte. Es hat mich tief bewegt, wie die Hans-Litten-Schule das Leben und Wirken von Margot Fürst auf die Bühne gebracht hat. Eine bemerkenswerte Frau und das zum Teil in so jungen Jahren. Sehr berührend empfand ich, wie die Schülerinnen und Schüler in ihrer kulturellen Vielfalt den Bogen in die Gegenwart zu den Themen Flucht, Heimat und Exil/Migration schlugen. Eine gelungene Veranstaltung, die mich im Anschluss noch in die Zolastr. 1 zum Originalstolperstein vom Margot Fürst zog.“
Tobias Hoffmann, Berliner Sparkasse
„Ihr habt so eine großartige Arbeit geleistet – diese ganze Recherche, das Zusammentragen all dieser Stationen – einfach grandios …, also noch einmal von Herzen: DANKE an euch Alle! An jeden einzelnen, der zu dieser Arbeit beigetragen hat. MARGOT und auch MAX – und HANS nicht minder würden nur so staunen, dass heutige kids sich so mit ihrem Leben auseinandersetzen… .“
Patricia Litten, Schauspielerin (Nichte von Hans Litten)
„Es war wirklich eine unglaublich berührende Aufführung und so schade, dass es einmalig war.“
Kristina Trierweiler, Direktorin der Bundesrechtsanwaltskammer Berlin