Am 21.6.2023 wurden in der Lorenzstraße 12 in Lichterfelde Ost für Irene und Frieda Salomon Stolpersteine verlegt. Stolpersteine sollen an Menschen erinnern, die im Nationalsozialismus ausgegrenzt und erniedrigt wurden. Viele wurden in die Flucht getrieben, ermordet oder in den Tod getrieben. „Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist.“ (Gunter Demnig) Zusammen mit ihrer Religionslehrerin Frau Löcklin, wollen die Schüler:innen des Religionsunterrichts der Klasse 6c der Grundschule unter den Kastanien  an Irene und Frieda Salomon erinnern.

Es folgen Texte, die von den Schüler:innen während der Stolpersteinverlegung vorgetragen wurden:

„Wir wollen erstmal kurz erzählen, wie wir darauf gekommen sind, uns für diese Stolpersteine einzusetzen und was wir gemacht haben: Mehrere von uns gehen regelmäßig in das Jugendzentrum Dr. Wolf in der Geraer Straße. Jugendliche aus dem Jugendzentrum haben mit den Mitarbeiterinnen des Jugendzentrums vor etwa 10 Jahren nach der Geschichte des Jugendzentrums geforscht und darüber einen Film gemacht. Einer von uns hat den Film mit in den Religionsunterricht gebracht. Im Film spricht eine Zeitzeugin von ihrer Freundin, Irene Salomon. Die Zeitzeugin erwähnte, dass Irene in der Lorenzstraße gewohnt habe und in die Kastanienschule gegangen sei. Über das weitere Schicksal von Irene Salomon wusste sie leider nichts. Im Schularchiv war tatsächlich die Schülerkarte von Irene Salomon noch vorhanden. Das war der Anfang unserer Nachforschungen. Wir haben rasch Kontakt mit Frau Dr. Scheidemann aufgenommen. Frau Scheidemann hat unsere Nachforschungen nach Irene Salomon unterstützt. Und sie hat nach den Eltern Frieda und Theodor Salomon geforscht. Zwischenzeitlich haben wir uns mit dem Thema Stolpersteine ausführlich auseinandergesetzt. Am 9. November letzten Jahres haben wir Stolpersteine in der Umgebung geputzt und die zugehörigen Biografien gelesen. Wir haben einen großen Kuchenverkauf in der Schule organisiert und so die Stolpersteine finanziert. Heute sind wir hier, um die Stolpersteine für Irene und Frieda Salomon zu verlegen und an die beiden zu gedenken.

Irene Salomon:
Irene kam am 2.9.1930 in Friedenau zur Welt. Eltern waren Theodor und Frieda Salomon, geborene Haas. Irene lebte mindestens zwischen 1935 und 1939 in der Lorenzstraße 12. Der Vater war hier nicht gemeldet. An Ostern 1937 kam Irene in die 12. Volksschule, die heutige Grundschule unter den Kastanien in Lichterfelde Ost. Wie Irene die Schule erlebt hat, wissen wir nicht. Die Festschrift zum 100jährigen Bestehen der Schule erzählt uns vom Tag nach der Machtergreifung durch Hitler. Der Direktor meldete, dass sich das Kollegium freudig in den Dienst der Bewegung stellte. Auch die Hakenkreuzfahne wurde gehisst. Als Irene zur Schule kam, war der Hitlergruß in den Schulen Pflicht und auch der Unterricht wurde im nationalsozialistischen Sinn gestaltet. Trotzdem scheint Irene zumindest teilweise eine unbeschwerte Kindheit verbracht zu haben und hatte mindestens eine Freundin in der Nachbarschaft. Dies wissen wir aus den Erzählungen dieser ehemaligen Freundin. Seit November 1938 war es jüdischen Kindern verboten, in öffentliche Schulen zu gehen. Auch Irene durfte als Jüdin nicht mehr in unsere Schule gehen. Erst im Oktober 1939 besuchte sie wieder eine Schule – die Joseph-Lehmann- chule, eine Schule der jüdischen Gemeinde zu Berlin in der Joachimsthaler Straße. Diese Schule musste sie bereits wieder im März 1940 verlassen. Wann Irene mit ihrer Mutter aus der Wohnung in Lichterfelde ausziehen musste, wissen wir nicht. Kurzzeitig wohnten Irene, Frieda und Theodor Salomon zur Untermiete in Lichterfelde West bei Familie Cohn. Zuletzt lebte Irene mit ihrer Mutter in der Holsteinischen Straße 42 in Wilmersdorf. Von hier wurde sie mit ihrer Mutter am 12.3.1943 mit dem 36. Osttransport nach Auschwitz deportiert. Irene wurde gerade einmal 12 Jahre alt.

Frieda Salomon, geborene Haas:
Frieda Salomon ist am 28.11.1899 in Meiningen in Thüringen geboren. Ihre Eltern waren Julius Haas und Jenny geborene Lindner. Das Ehepaar hatte fünf Kinder. Frieda war die Jüngste. Julius und seinem Bruder Arnold Haas gehörte die „Liqueur und Essenzenfabrik Gebrüder Haas“. Auch die Familie der Mutter von Frieda besaß eine Essig- und Senffabrik.Frieda verlor ihren Vater schon im Alter von sieben Jahren. Die Mutter führte die Fabrik mit Arnold Haas weiter. Anzunehmen ist, dass Frieda eine gute Ausbildung erhielt und an geschäftliche Dinge herangeführt wurde. Am 14.11.1929 heiratete Frieda Theodor Salomon. Er war zehn Jahre älter und von Beruf Handelsvertreter. Am 2.9.1930 kam Irene in Friedenau zur Welt. Vermutlich lebte die Familie zuerst unter der  Geschäftsadresse von Gustav Salomon, dem Vater von Theodor. Wann Frieda und Irene nach Lichterfelde Ost zogen ist unklar. Im Berliner Adressbuch von 1935 und 1939 werden Frieda und Irene in der Lorenzstraße 12 unter einer Adresse des Familienunternehmens: G. Salomon, Kosmetische Artikel, geführt. Theodor lebte dagegen wohl nicht dauerhaft bei der Familie. Er war in Rostock gemeldet. Wann Frieda und Irene aus der Wohnung in Lichterfelde auszogen ist nicht genau bekannt. Fest steht, dass die Familie ab etwa 1940 für einige Monate noch einmal zu dritt in Lichterfelde West zur Untermiete wohnte. Zuletzt wurden Irene und Frieda für wenige Monate in die Holsteinische Straße 42 in Wilmersdorf umgesiedelt. Theodor lebte zuletzt vermutlich als Zwangsarbeiter im Landwerk Neuendorf. Am 12.3.1943 wurden Frieda, Theodor und Irene mit dem 36. Osttransport nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.

Der 36. Osttransport am 12.3.1943 nach Auschwitz:
Der 36. Osttransport gehört zu einer Reihe von 6 Transporten, bei denen 1943 die letzten Juden aus Berlin transportiert werden sollten. Mit dem 36. Osttransport wurden 947 Juden nach Auschwitz deportiert. Viele waren Angestellte des Jüdischen Kulturvereins oder der Reichsvereinigung der Juden. Zwangsarbeiter wurden aus den Betrieben abtransportiert und jüdische Menschen wurden einfach von der Straße aus willkürlich gefangen genommen. Sie kamen in Sammelstellen und wurden von dort aus deportiert. Auf den Transportlisten des 36. Osttransports finden wir Irene und Frieda Salomon. Auch Theodor Salomon wurde am selben Tag ab Berlin nach Auschwitz deportiert. Wahrscheinlich ist, dass Frieda, Irene und Theodor bei Ihrer Deportation noch einmal, ein letztes Mal, zusammenfanden. Unter dem Betreff „Judentransporte aus Berlin“ berichtete Arbeitseinsatzführer Schwarz mit Fernspruch vom 15.3.: „K.L.-Auschwitz meldet Judentransport aus Berlin. Eingang am 13.3.43. Gesamtstärke 964 Juden.“ Zum Arbeitseinsatz kamen 218 Männer u. 147 Frauen. Ein Todesdatum ist für Theodor, Frieda und Irene Salomon nicht bekannt. Aller Wahrscheinlichkeit nach wurden sie aber unmittelbar nach der Ankunft getötet. Auch die Geschwister von Frieda und Theodor Salomon wurden in unterschiedlichen Lagern getötet. Nur wenige enge Familienmitglieder der Familien Salomon und Haas konnten rechtzeitig ins Ausland fliehen und die Verfolgung überleben.

Weitere Informationen finden Sie auf dem Flyer der Stolperstein-Initiative Steglitz und hier:  www.stolpersteine-berlin.de

Wir danken den Schüler:innen und ihrer Religionslehrerin Frau Löcklin für ihr Engagement und den wichtigen Beitrag.