Wir freuen uns über einen weiteren Beitrag aus unserer Reihe „Religionslehrer*innen im Interview“. #wasreligionslehrersomachen erfahren wir heute von Julia Look aus Neukölln. Neben Ihrem Unterricht in der 5. bis 10. Klasse ist die diplomierte Hochschulabsolventin auch Stellvertretende Beauftragte für Religionsunterricht in Neukölln.

„Ich arbeite am Albrecht-Dürer-Gymnasium im Herzen Nord-Neuköllns, das bereits ab der 5. Klasse die so genannten „Schnelllerner“ aufnimmt. Ich unterrichte Religion in den Klassen 5 und 6; ab Klasse 7 kooperiert der Religionsunterricht seit mehr als zehn Jahren mit dem Fach Ethik.
Im Jahr 2013 habe ich mein Studium mit dem Diplom an der Evangelischen Hochschule abgeschlossen und bin seit dem in Berlin-Neukölln, meinem Heimatbezirk, eingesetzt.“

Warum sind Sie Religionslehrkraft geworden?

„Ich habe nach meiner Konfirmation viele Jahre ehrenamtlich in einer Neuköllner Gemeinde gearbeitet und während meiner Berufsausbildung in einer Anwaltskanzlei immer wieder an diesem Beruf gezweifelt. Eines Tages fand ich bei meiner Mutter den Liedzettel zu „Möge die Straße uns zusammenführen“ und wusste: Ich möchte mein ehrenamtliches Arbeiten zum Beruf machen, ich möchte Kindern etwas über den christlichen Glauben beibringen – aber wie?
So kam ich auf das Studium der Religionspädagogik mit dem Ziel Religionslehrerin zu werden.“

Warum ist Religionsunterricht wichtig als Schulfach? Was haben Kinder für einen „Mehrwert“ von Religionsunterricht konkret in ihrem Alltag?

„Der Religionsunterricht bietet ein Umfeld, in dem Schüler*innen frei ihre Gedanken zu ihrem Glauben und ihren Zweifeln daran formulieren können. Sie können dadurch den im Alltag begegnenden Traditionen, Ritualen und Glaubensfragen sprachlich Ausdruck verleihen. Die Auseinandersetzung damit hat im normalen Schulalltag kaum einen Platz.“

Was ist der Unterschied zu Ethik, Lebenskunde oder L-E-R?

„An meiner Schule sehe ich den Unterschied zu Ethik, wo die praktische Philosophie im Vordergrund steht und das gelingende Miteinander in der Gesellschaft. Die Religionen werden hier wissenschaftlich betrachtet und gesellschaftlich übertragen. Dies geschieht auf einer rationalen Wissensebene. Der Religionsunterricht geht tiefer: er fragt nach der Gottesvorstellung, einem Leben nach dem Tod und dem individuellen Glauben. Die Antworten darauf finden wir gemeinsam im Theologisieren.“

Welche Momente sind für Sie ganz typisch bei einer Reli-Unterrichtsstunde?

„Ich eröffne den Religionsunterricht mit einer Erzählrunde, in der die Schüler*innen von sich, ihrem Befinden und ihren Erfahrungen berichten dürfen, wenn sie möchten. Oft gelangen wir dadurch schon in Gespräche, die im wahrsten Sinne des Wortes „von Gott und der Welt“ handeln.“

Wie ist das Verhältnis zu den Lehrern von Ethik, Lebenskunde oder L-E-R?

„Mein Verhältnis zu den Ethiklehrer*innen ist geprägt von Wertschätzung, Kollegialität und Unterstützung. Wir ergänzen uns fachlich im Unterricht, denn als Vertreterin einer Religionsgemeinschaft bin ich in der Schule die Ansprechpartnerin für Fragen rund um Religion und Glaube.“

Was ist der religiöse Hintergrund ihrer Schüler*innen?

„Unsere Schülerschaft ist mit ihren Religionen genauso vielfältig wie unser Bezirk. Wir unterrichten gläubige Muslime, evangelische, katholische und orthodoxe Christ*innen und Jugendliche ohne offensichtliche religiöse Anbindung. Auch die fernöstlichen Religionen sind an unserer Schule vertreten. Dies bietet ein großes Potenzial an interreligiösem Austausch.“

Ergänzen Sie – ganz plakativ und in einem Satz:

„Nur Religionsunterricht und kein anderes Fach kann …
sich aus dem starren Korsett des oft zu leistungsorientierten Schulalltags befreien und die individuellen Bedürfnisse und Anliegen der SuS gezielter in den Blick nehmen.“

Was sagen begeisterte Schüler*innen über Ihr Fach?

„Direkte Rückmeldungen zu meinem Fach erlebe ich gerade im Oberschulbereich selten. Dass der Ort des Religionsunterrichtes und ich als besonders vertrauenswürdig wahrgenommen werden, zeigt sich in den intensiven persönlichen Gesprächen und meiner Wahl zur Vertrauenslehrerin.“

Sind Sie in den Sozialen Medien aktiv und binden Sie diese auch im Unterricht ein?

„Ich bin privat in den Sozialen Medien aktiv. Unterrichtliche Inhalte und Projekte werden durch die Schule veröffentlicht.“

Welche Frage beschäftigen Ihre Jahrgänge am meisten – und wieviel Raum geben Sie Ihren Klassen dafür?

„Ich erkenne ein Interesse der höheren Jahrgänge vor allem am Thema Tod und Jenseitsvorstellungen. Dies bildet eine große Einheit in der neunten und zehnten Klasse. Hier arbeite ich besonders gern mit Liedtexten, die sich an der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler orientiert.“

Wie funktioniert Religionsunterricht in Zeiten von Corona und Homescholing statt?

„Der RU findet in Zeiten von Corona in der 5. und 6. Klasse als digitales Angebot über ein Padlet statt. Es ist für die Schüler*innen nicht leicht allen Anforderungen des Schulisch angeleitetes Lernen zu Hause zu entsprechen, weshalb ich durch motivierende Nachrichten den Kontakt zu den jüngeren Schüler*innen halte.

Da unsere Schule digital sehr gut aufgestellt ist, kann sogar das mit der Kirchenpädagogin geplante „DenkmalAktiv“-Projekt mit einer 9. Klasse in Form von Videokonferenzen und Homeschooling-Aufgaben stattfinden. Hier beschäftigen wir uns mit dem Thema Tod und Sterben und setzen uns mit dem denkmalgeschützten St. Thomas Friedhof auseinander. Da Ausflüge nicht möglich sind, haben sich die SuS selbstständig auf den Weg gemacht und den Friedhof in der Herrmannstraße erkundet.“

 

Herzlichen Dank, liebe Frau Look, für das schöne Interview!

Weiter Interviews gibt es hier: Maike Schöfer, Laura Schulze, Phillip Angelina und Bettina Koschorek, Aline Ackermann