#wasreligionslehrersomachen – unter diesem Hashtag findet man auf Instagram schon jede Menge Beiträge Evangelischer Religionslehrer:innen. Um Ihnen und euch unsere Religionslehrkräfte noch ein wenig genauer vorzustellen, gibt es die Reihe Religionslehrer:innen im Interview. Nach Maike Schöfer, Laura Schulze, Phillip Angelina, Aline Ackermann, Julia Look und Bettina Koschorek, beantwortet uns heute Jannis Yan unsere Fragen 🙂
Ich kam nach Abschluss meines ersten Bachelor-Studiums in China vor mehr als 20 Jahren nach Deutschland, um ein weiteres Studium aufzunehmen. Nach einer langen Studienzeit schloss ich das Master-Studium „Religion and Culture“ an der Humboldt-Universität ab. Danach habe ich als Quereinsteiger im Religionsunterricht angefangen. Zurzeit arbeite ich an zwei Gymnasien im Landkreis Oberhavel.
Warum sind Sie Religionslehrkraft geworden?
Ich wollte schon immer mit einem Beruf als Lehrender zu tun haben, trotzdem habe ich mir nie vorstellen können, eine Lehrkraft in einer deutschen Schule zu werden. Es gab kaum Lehrkräfte mit Migrationshintergrund in der deutschen Schule, geschweige denn jemand mit Deutsch als Fremdsprache. Aber ich brauchte damals einen Job und habe mich bei EKBO beworben, und es hat geklappt.
Warum ist Religionsunterricht wichtig als Schulfach?
Im Religionsunterricht muss man sich nicht stressen, um den Stoff nicht in einer bestimmten Zeit zu lernen oder ein bestimmtes Niveau zu erreichen. Das ist gut für die Schüler*innen, aber auch für die Lehrkräfte und sogar für die Erziehungsberechtigten. Denn im stressigen Alltag kann man sich so eine Auszeit nehmen, Zeit miteinander verbringen, auf sich selbst und die eigenen Bedürfnisse achten und die Beziehung zueinander stärken. Ich denke, solche Kompetenzen sind wichtiger als das reine Wissen.
Welche Momente sind für Sie ganz typisch bei einer Reli-Unterrichtsstunde?
Manchmal erzählt mir ein Schüler oder eine Schülerin in der Stunde von einer schlechten Erfahrung. Dann unterbreche ich den Unterricht und gebe ihm/ihr die Möglichkeit, über die Gefühle zu sprechen. Denn in meinen Religionsunterrichtsstunden geht es vorwiegend nicht um Noten oder Arbeitsmaterialien, sondern um die Bedürfnisse und Gefühle der Schüler:innen. Das ist meistens nur in der Reli-Stunde möglich.
Wie ist das Verhältnis zu den Lehrern von Ethik, Lebenskunde oder L-E-R?
Ich tausche mich regelmäßig mit den Lehrkräften von L-E-R in den beiden Schulen aus. Wir sind sehr zufrieden damit, dass die Klassen in zwei ähnliche große Gruppen geteilt werden. So können wir jeden einzelnen Schüler besser berücksichtigen.
Was ist der religiöse Hintergrund Ihrer Schüler:innen?
Die Schüler:innen in einer Schule sind fast ausschließlich christlich, besuchen seit der Grundschule den Religionsunterricht und sind vorwiegend weiß. In der anderen Schule sind meine Lerngruppen sehr unterschiedlich: religiös und unreligiös, weiß und Kinder of Color, sehr gläubig und nicht ganz gläubig. Das macht mir richtig Spaß.
Ergänzen Sie – ganz plakativ und in einem Satz: „Nur Religionsunterricht und kein anderes Fach kann …“
Nur Religionsunterricht und sonst kein anderes Fach weist eine Lernsituation auf, in der man (fast) ohne Leistungsdruck lernen kann.
Sind Sie in den Sozialen Medien aktiv und binden Sie diese auch im Unterricht ein?
Ich habe jetzt einen Insta-Account als eine außerschulische Austauschsplattform eingerichtet. Dort teile ich vorwiegend Informationen, Beiträge und Reels zu den Themen Antirassismus und Inklusion. Bisher klappt die Interaktion mit einigen Schüler:innen echt gut.
Welche Frage beschäftigen Ihre Jahrgänge am meisten – und wieviel Raum geben Sie Ihren Klassen dafür?
Im Mittelpunkt kommt oft die Frage vor: Warum muss man in so einem Schulsystem lernen? Die Schüler:innen in der SEK I wollen ihr Leben selbst bestimmen, dürfen aber nicht – vor allem in der Schule. Sie sind frustriert und fühlen sich machtlos. Ich finde, im Religionsunterricht sollte auch Empowerment-Arbeit geleistet werden. Wenn wir als Christen glauben, dass jeder Mensch „wunderbar gemacht ist, und wunderbar sind deine Werke“ (Psalm 139, 14), dann können die Schüler:innen, die oft in der Schule gedemütigt werden, durch den Glauben neue Kraft schöpfen.
Wie funktioniert Religionsunterricht in Zeiten von Klimakrise, Kriegen und Rechtsextremismus?
Rechtsextremismus ist besonders attraktiv für Menschen, die sich machtlos fühlen. Die Klimakrise und Kriege sorgen für viel Angst, sodass die Menschen oft lieber wegschauen. Doch die Bibel sagt uns, „Fürchte dich nicht, denn ich bin mit dir.“ (Jes 41,10). Aber nicht nur der unsichtbare Gott ist bei uns, wir brauchen auch eine sichtbare Gemeinschaft, in der wir einander mit Empathie begegnen und uns gegenseitig unterstützen. Wenn die Schüler:innen in den Religionsstunden gelernt haben, wie sie mithilfe einer Gemeinschaft ihre „Lebenskrise in der Schule“ ( ) überwinden können, können sie auch, so hoffe ich, außerhalb der Schule das Zusammenhalten weiterführen und vor den Krisen aktiv handeln.
Herzlichen Dank, lieber Herr Yan, für das schöne Interview!
Zu allen Interviews: ru-ekbo.de/tag/religionslehrerinnen-im-interview/
Jannis Yan auf Instagram: inclusivebelief
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