Janine Joshi ist seit sechs Jahren Kreisschulpfarrerin im Kirchenkreis Charlottenburg-Wilmersdorf und unterrichtet am Friedrich-Ebert-Gymnasium in den Klassen 7-11 Evangelischen Religionsunterricht.
Warum ist Religionsunterricht ein wichtiges Schulfach?
„Im Religionsunterricht setzen sich die Schüler*innen mit sich selbst auseinander. Sie werden dabei unterstützt, ihre eigene Identität zu entwickeln. Dabei beschäftigen sie sich mit Fragen von Religion und Glauben. Außerdem lernen sie Kunst, Kultur und Gesellschaft, die von der christlichen Religion geprägt sind, besser zu verstehen. Je mehr junge Menschen über ihre eigene Religion und andere Religionen erfahren, desto besser kann ein gelungenes Zusammenleben in unserer multireligiösen Gesellschaft gelingen. In der Auseinandersetzung mit Werten und Normen entwickeln Schüler*innen einen kritischen Umgang mit dem eigenen Standpunkt, sie erlernen Achtsamkeit und Verantwortung für sich und andere zu übernehmen.“
Welchen Mehrwert haben Kinder vom RU im Alltag?
„Die Kinder können das Leben um sich herum mit anderen Augen sehen, ihre eigene Kultur besser verstehen und den Jahreskreis mit all den religiösen Festen deuten. Sie erhalten die Gelegenheit, über sich und alles um sie herum nachzudenken, Fragen zu stellen und Zeit, in denen ihnen zugehört wird.“
Ergänzen Sie – ganz plakativ – den Satz: Nur RU und kein anderes Fach kann …
“ … den Schüler*innen Raum geben, Fragen nach dem Sinn des Lebens und Gott zu stellen und versuchen in der Auseinandersetzung mit anderen eine eigene Haltung zu entwickeln.“
Welche Fragen beschäftigen Ihre Jahrgänge am meisten – und wieviel Raum geben Sie Ihren Klassen dafür?
„Die Schüler*innen fragen nach der Bedeutung von Religion in ihrem Alltag. Das beginnt mit Fragen rund um religiöse Lebensführung bis hin zu Jenseitsvorstellungen. Beliebt sind auch Fragen rund um die ethische Bewertung aktueller Themen durch die verschiedenen Religionen. Sie stellen z.B. folgende Fragen: Warum sind wir auf der Welt? Was passiert nach dem Tod? Muss ich mich an alle Regeln der Religion halten? Was ist Glauben? Was ist Religion? Wozu gibt es Religion? Welche Bedeutung hat Religion für die Menschen heute? Welche Rollenbilder von Mann / Frau / Familie gibt es in den Religionen? Was ist Fundamentalismus? Fragen rund um die Weltreligionen werden gern von den Kindern gestellt.“
Wie haben Ihre Schüler*innen die Coronazeit erlebt, und was waren die Herausforderungen für Sie als Lehrkraft?
„Die Schüler*innen haben die Corona Zeit unterschiedlich erlebt. Einige fanden das Homeschooling gut, weil sie so konzentrierter arbeiten und sich die Zeit selbst einteilen konnten. Andere empfanden die Zeit teilweise gut, teilweise belastend, weil sie die Mitschüler*innen vermisst haben und der direkte Austausch über fachliche Inhalte nur zeitversetzt stattfinden konnte.“
Und jetzt zu Ihrem Projekt „Reli fürs Klima“:
Beschreiben Sie „Reli fürs Klima“ in drei Sätzen:
„Ich initiiere die Aktion „Reli fürs Klima“ in Kooperation mit Brot für die Welt. Das ist eine Aktion für den Religionsunterricht in Berlin und Brandenburg für den Klimaschutz und Klimagerechtigkeit. Im Vordergrund steht das Projekt „Kirchwälder in Äthiopien“, mit dem sich die Schüler*innen beschäftigen werden. Das Bildungsmaterial für die Lehrkräfte, in dem sie Unterrichtsentwürfe finden, erscheint demnächst. Die Aktion startet im Frühjahr mit einem Eröffnungsgottesdienst mit dem Bischof Dr. Stäblein und weiteren Teilnehmende.“
Wie sind Sie auf die Idee für „Reli fürs Klima“ gekommen?
„Von meiner Arbeit als Gemeindepfarrerin kenne ich die Aktion „5000 Brote“ von Brot für die Welt, die an Konfirmand*innen gerichtet ist. Ich habe lange darüber nachgedacht, wie man diese Aktion mit Schulklassen umsetzen kann. Außerdem konnte ich in den letzten Jahren beobachten, wie sehr sich die Schüler*innen für den Klimaschutz interessieren. Manche von ihnen haben Angst um ihre Zukunft, andere machen die Erwachsenen für die Klimakrise verantwortlich. Die Schüler*innen wollen aktiv werden. Der Religionsunterricht kann sie in ihrer Situation abholen und ihnen zeigen, dass sie in der Lage sind Großes zu bewirken. Brot für die Welt setzt sich weltweit für den Klimaschutz und Klimagerechtigkeit ein. Da lag es für mich nahe, anzufragen, ob wir nicht etwas gemeinsam machen wollen. So ist aus der Idee ein tragfähiges Konzept entstanden.“
Was waren die ausschlaggebenden Punkte, um diese Aktion ins Leben zu rufen?
„Als Schulpfarrerin bewegt mich der Gedanke, wie man die Aufgabenfelder der Kirche mit den Themen des Rahmenlehrplans verbinden kann und gleichzeitig die Interessen und Begabungen der Schüler*innen aufnimmt. Aus meiner Sicht kann die Projektarbeit mit den einzelnen Arbeitsbereichen ein verbindendes Element zwischen den Themen im Rahmenlehrplan und den Aufgabenfeldern der Kirche darstellen. Das Entwicklungswerk Brot für die Welt handelt im kirchlichen Auftrag.“
Wie wurde das Projekt (bis jetzt) aufgenommen und was sind die besonderen Herausforderungen?
„Das Projekt wird sehr interessiert aufgenommen. Ich konnte schnell Kolleginnen finden, die aktiv das Konzept für die Aktion mit erarbeitet haben und gemeinsam den weiteren Verlauf planen und gestalten. Klimaschutz und Klimagerechtigkeit sind große Themen für die Schüler*innen. Besonders bewegt hat mich die großartige Unterstützung von Seiten der Landeskirche und Brot für die Welt, sowie meiner unmittelbaren Vorgesetzen und vieler Kolleg*innen, die sich selbst mit ihren Fähigkeiten und Ideen konkret in das Projekt einbringen.“
Wo stehen Sie heute und was sind die nächsten Schritte?
„Aus der Idee ist ein tragfähiges Konzept entstanden. Dank der Mitarbeit von Kolleg*innen in der EKBO und der tollen Zusammenarbeit mit Brot für die Welt kann die Aktion starten. Das Bildungsmaterial ist fertig und wird im zweiten Halbjahr veröffentlicht. Am 28.3.22 bieten wir eine Fortbildung für interessierte Lehrkräfte an, bei der wir in das Bildungsmaterial einführen und Anregungen geben, wie sich die einzelnen Schulklassen engagieren können. Ein bewegter Eröffnungsgottesdienst ist für den 4. Mai in der Erlöserkirche (Nöldnerstr. 43) geplant unter Mitwirkung verschiedener Akteure.“
Was erwarten Sie von Schulen/Schüler*innen und Lehrkräften?
„Lust und Kreativität beim Mitmachen, so dass wir alle zusammen etwas für das Klima tun und uns für Klimagerechtigkeit einsetzen.
Schreibt eure Ideen und Vorhaben auch auf ein ca. 20 Zentimeter langes Schleifenband oder ein altes Stück Stoff und schickt sie ein. Wir nähen diese Stücke zusammen. Daraus entsteht hoffentlich ein großes, weltkugelähnliches Knäuel, das unsere gemeinsamen Aktivitäten symbolisieren soll. Unser Ziel ist dabei, dieses „Knäuel“ am Ende dieses Schuljahres an den Bischof Dr. Christian Stäblein zu übergeben mit der Bitte, dass sich auch die Kirche für mehr Klimagerechtigkeit engagiert.“
Liebe Frau Joshi, Herzlichen Dank für das Interview und die Einführung in das Projekt Reli fürs Klima!